Sehr geehrter, lieber Herr Reitschuster,

vielen Dank für Ihren unermüdlichen Kampf gegen die deutsche Dummheit und das öffentlich-rechtliche Framing. In Wahrheit ist letzteres eigentlich systematisch organisierte Verbreitung von Halbwahrheiten und Lügen. Aber das ist alles längst bekannt und ändern tut sich in diesem verkorksten, Merkel-hörigen Land dennoch rein gar nichts.

Ich möchte Ihnen allerdings Mut machen bzgl. des von Ihnen avisierten Vergleichs zwischen Merkel und Putin. Ich halte diesen Vergleich für überfällig. Ich selbst sitze seit 2017 an einem Vorhaben, das Regime des “Merkelismus” analytisch aufzuklären. Alleine aber schaffe ich das gar nicht, wie ich mir das inzwischen eingestehen muß. Dasginge nur im Sinne eines congenialen Teamworks. Es liegt zwar nahezu alles wissenschaftlich-analytisch auf der Hand, aber die Beweisführung im Rahmen der vielen Details - von der Energiewende bis hin zu Bildungsnotstand, Migrationskrise, der Gleichschaltung der relevanten Medien und dem immer offenkundigeren Machiavellismus - ist doch eine für den einzelnen nicht bewältigbare Sisyphos-Arbeit.

Hierbei zeigt sich so ganz nebenbei auch die inzwischen nur noch als erschreckend wahrzunehmende strategische Asymmetrie zwischen den ÖRM, den Kommerz- und Jubelmedien und den geistig und durch Fördergelder korrumpierten Wissenschaften einerseits und der “freien Presse” und den “freien” Wissenschaften andererseits, denen wir, wenn ich mir das so erlauben darf, beide angehören. Im Rahmen der diagnostischen Methode nach dem Muster der “Negativen Dialektik” wird der reflektierte Citoyen tagtäglich darauf aufmerksam gemacht, wie desaströs und im eigentlichen Sinne unprofessionell und im höchsten Maße”einfältig” ÖRM und “Qualitätsmedien” angesichts ihrer technischen und informationellen Möglichkeiten des täglichen Zugriffs auf die weltweite Nachrichten- und Kommentierungslage arbeiten. dpa und Funke-Medien zum Beispiel sind ja selbst bereits zu ideologischen Sichtfenstern degeneriert.

Im Moment fühle ich mich weitestgehend paralysiert und habe keine Lust mehr am Schreiben. Ich freue mich aber immer wieder, dass Sie, sehr geehrter, lieber Herr Reitschuster, sowie einige andere wie Vera Lengsfeld, Dushan Wegner oder Cicero, Tichys Einblick und die NZZ die Fahne der Europäischen Aufklärung hoch halten. Aber dennoch müssen wir uns - so denke ich - mehr und mehr selbstkritisch eingestehen, dass das nur noch ein hinhaltender Abwehrkampf ohne Chancen auf einen qualitativen Durchbruch ist. Es fehlt einerseits die Unterstützung durch ein kraftvolles parlamentarisches Zentrum - die AfD schadet ja unserer Sache mehr, als dass sie einen ernstzunehmenden Diskurs in Gang setzen könnte; die FDP ist ja nur noch eine Schatten ihrer selbst - und andererseits besteht die jetzt wirtschafts- und gesellschaftspolitisch herrschende Generation der 25- bis 55-jährigen in ihrer Mehrheit aus Duckmäusern, Ignoranten und charakterlosen “Untertanen”. Dass die Generation “meiner” Kinder mal politisch-freiheitlich so weitreichend versagen würde und eine weitere verkorkste Generation, die Enkelgeneration, in ihrer erdrückender Mehrheit aus naiven Mitläufern, VOX-Six-Packern,Tic-Toc-Influencerinnen, geschichtslosen Krawallmachern und hirnlosen “Aktivistinnen” aufs demokratische Spielfeld schicken würde, hätte ich noch vor 15 Jahren trotz deutlicher Anzeichen auch bereits an den Universitäten in diesen Ausmaßen nicht für möglich gehalten. Ja, auch meine Generation und ich selbst tragen daher eine ganz erhebliche Mitschuld an den heutigen Zuständen. Den offenkundigen Beweis dafür liefern etwa die “Omas gegen Rechts”, die ja aus “meiner Frauengeneration” stammen. Unsäglich!

Zum Schluß sehr geehrter, lieber Herr Reitschuster: Ich begrüße es, dass Sie Ihr Equipment immer weiter professionalisieren und das offenbar auch im Hinblick auf die Verbreiterung ihrer Mitarbeiter-Basis tun. Ich werde das nach wie vor sehr gerne finanziell und intellektuell unterstützen und freue mich weiterhin auf Ihr Wochenbriefing.

Aus der geistigen Enge der “Metropol- und Partygänger-Region” Stuttgart

grüßt Sie herzlich

Ihr Hans-Rolf Vetter

Gesendet: Montag, 06. Juli 2020 um 19:50 Uhr
Von: “Boris Reitschuster” kontakt@reitschuster.de
An: prof.vetter@gmx.de
Betreff: Gesteuerte Demokratie unter Merkel? - Reitschusters Wochenbriefing

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Guten Tag aus Berlin, die Bundesrepublik befindet sich - nach den Worten ihrer Kanzlerin - in der schwersten Krise ihrer Geschichte. Doch das hindert den Bundestag nicht, für fast zwei Monate in Sommerferien zu gehen. Einerseits, so sollte man meinen, ist das unverantwortlich. Andererseits, bei nüchterner Betrachtung, spielt es kaum noch eine Rolle in Zeiten, in denen das Parlament zu einer Art Gesetzes-Druckmaschine der Bundesregierung degradiert ist. Was in Krisenzeiten noch viel schwerwiegender Folgen hat als ohnehin: Denn gerade jetzt, wenn in Eile Fragen von riesiger Dimension und Tragweite entschieden werden müssen, wäre eine öffentliche Debatte und Kontrolle durch das Parlament (und natürlich auch die Medien) besonders wichtig. Stattdessen leben wir in Zeiten, die mich immer mehr an einen alten Spruch aus der Sowjetunion erinnern, der im heutigen Russland nur noch ironisch gebraucht wird: „Volk und Partei sind ein einheitliches Ganzes.“ Da die Sowjetunion anders als die DDR auch formell ein Ein-Parteien-System war, müsste man die Parole wohl auf neudeutsch übersetzen mit „Die Parteien und das Volk sind ein einheitliches Ganzes“. Dabei müsste man dann natürlich eine Partei ausnehmen. Wobei deren Existenz zur Konsolidierung der anderen zwingend erforderlich ist. Es ist erstaunlich, wie stark sich die Politik des Merkel´schen Deutschlands darauf stützt, mit Hilfe von Feinbildern oder Aktionismus eine Einigkeit der Mehrheit gegen eine vermeintliche Minderheit durchzusetzen (die in meinen Augen eher die wirkliche Mehrheit ist, nur eine schweigende). Als Feindbild gilt dabei „Rechts“ bzw. die „rechte Gefahr“ - was inzwischen alles ist, was politisch rechts von Merkel steht. Der Aktionismus bezieht sich auf die „Klimarettung“ und neuerdings auf den „Kampf gegen Rassismus“. Warum der in Deutschland so schlimm sein soll, wenn Millionen Menschen aus der ganzen Welt ausgerechnet nach Deutschland wollen bzw. unbedingt da bleiben möchten, erschließt sich mir nicht. Wie so vieles in diesen irren Tagen. Die aktuelle Politik von Feindbildern und Aktionismus erinnert massiv an den Sozialismus, wenn auch in einem eher neuen Gewand. Gerade deshalb können das so viele nicht (mehr) erkennen. Mir wurde es sehr mulmig, als ich am Samstag bei meinem Rundgang durch das demonstrierende Berlin auf der Anti-Rassismus-Demo Szenen erlebte, die mich an finstere Zeiten der Geschichte erinnerten. Ein Aktivist schreit mit heiserer Stimme, dass eine Revolution nötig ist, immer wieder, und die Masse schreit es ihm verzückt nach, die rechte Hand nach vorne gestreckt und nur durch die geballte Faust zu unterscheiden von einem anderen nach vorne gestreckten Gruß, den wir alle aus der Geschichte kennen. Fast jeden Tag habe ich in Berlin Déjà-vu-Erlebnisse, die mich an meine 16 Jahre als Journalist in Russland erinnern. Auch unser System hat immer mehr den Charakter einer „gesteuerten Demokratie“ - nur dass man das hierzulande anders als im Kreml nicht offen zugibt. Die Ähnlichkeiten sind so groß, dass ich mir vorgenommen habe, zwei Analysen zu schreiben: Zum einen einen Vergleich Putins und Merkels, bzw. eine Untersuchung der Ähnlichkeiten. Ich habe damit schon vor einem Jahr einmal angefangen, es dann aber sein gelassen. Auch, weil ich es für vermintes Gelände halte. Inzwischen denke ich aber, dass so eine Analyse notwendig ist. Und das zweite Thema, das ich in Angriff nehmen möchte: Da es trotz aller Unterschiede so viele Gemeinsamkeiten gibt und das System Putin dem System Merkel dabei immer etwas voraus ist, wäre es reizvoll, zu untersuchen, welche Zukunftsprognosen für Deutschland sich ergeben, wenn man sich an Putins Methoden und Weg orientiert. Merkels Ankündigung, 2020 nicht mehr anzutreten (was sie in Wirklichkeit in Putin´scher Manier verklausulierte, was aber kaum jemand bemerkte) wirkt vor diesem Hintergrund plötzlich gar nicht mehr so überzeugend bzw. - je nach Sichtweise - erleichternd oder erschreckend. Ich würde mich bei einem traditionellen Medium kaum trauen, solche Analysen zu bringen - aber auf meiner Seite schon, weil ich weiß, dass ich eine kluge, differenzierende Leserschaft habe. Die in der Lage ist, aus einem Vergleich zwischen Merkel und Putin nicht gleich eine Gleichsetzung zu machen, die selbstverständlich absurd wäre. Schon allein deshalb, weil Putin ideologiefrei ist und Merkel in meinen Augen als Ideologin haargenau das Gegenteil. Die Ähnlichkeiten liegen bei den Methoden, ganz und gar nicht beim Ziel. Für kurze Rückmeldungen, ob Interesse an zwei solchen Artikeln besteht, wäre ich wie immer sehr dankbar. Eine Fortsetzung wert wäre m.E. auch mein Artikel “Justiz mit Samthandschuhen: Fördert sie Gewalttaten, statt abzuschrecken?”. Ich glaube, die Illusion, wir würden immer noch in dem beschaulichen Deutschland der 1980er Jahre leben, ist eine der größten Gefahren für unsere Gesellschaft. Im Innersten versteht jeder, dass dies eine Illusion ist - aber umso heftiger pflegen sie gerade viele Linke und Grüne. Verdrängung wurde nicht nur im Privaten zur Überlebensstrategie - sie wurde zur Staatsraison. Und je heftiger die Verdrängung, umso heftiger die Abwehrreaktionen und/oder der Haß auf diejenigen, die das Verdrängte aussprechen. Gerade unter den Bedingungen einer faktischen Einwanderungsgesellschaft ist die Verdrängung existenzgefährdend für unser Land. Jeder Tag der Verdrängung wird das Erwachen noch schmerzhafter machen. Stuttgart war in dieser Hinsicht ein Fanal. Eines von vielen. Es gibt noch viele spannende Themen - aber ich will nicht wiederholen, was ich auf meiner Seite habe - da können Sie selbst reinsehen. Diese Woche schaffte es reitschuster.de erneut in der Rangliste der Artikel mit der größten Resonanz in den sozialen Netzwerken auf Platz 12 - in einer Liga mit Spiegel, Focus, tagesschau.de und Co. Das macht Mut und Hoffnung. Aktuell plane ich zwei Experimente: Am Mittwoch will ich mich auf Youtube eine Stunde lang Ihren Fragen stellen - von 19 bis 20 Uhr. Einschalten können Sie diesen „Livestream“ hier auf meinem youtube-Kanal. Fragen können Sie live stellen oder vorab über den gleichen Link. Damit greife ich ein Sende-Format auf, das bei meinem Sender „OstWest“ einmal im Monat erscheint (hier das Original in Russisch). Ein Leser, professioneller Sprecher, hat mein Interview mit Litauens Ex-Staatschef Landsbergis als Podcast eingesprochen. Ich werde es in Kürze veröffentlichen. Und ich erwäge, nach der Neugestaltung der Seite regelmäßig Podcasts, also gesprochene Texte, anzubieten - beispielsweise immer ein Highlight pro Woche. Wie fänden Sie das? Ich bedanke mich ganz herzlich für Ihr Interesse, freue mich, wenn Sie dieses Wochenbriefing und/oder meine Seite weiter empfehlen (etwa über diesen Link hier) und unterstützen. Beste Grüße Ihr Boris Reitschuster

Zum Autor

Univ.-Prof. i.R. Dr. Hans-Rolf Vetter, Jahrgang 1943, Leonberg/BW, Forschungsschwerpunkte: Wissenschaftliche Sozialpolitik, Moderne Erwerbsbiographien, Mütter und Mediation