Sehr geehrter, lieber Herr Wegner,

die Ereignisse der letzten Tage, Wochen und Monate haben mich verstummen lassen. Ich habe eigentlich keine Hoffnung mehr, dass die Bundesrepublik, Europa und der ganze “Westen” noch in ihrer bisherigen demokratischen, werte-ethisch auf Bildung, Leistung, Rationalität und Aufklärung basierenden geistigen Formationen werden auch nur noch fünf Jahre fortbestehen (können). Wir als deutschsprachige Intellektuelle sollten uns allmählich ungeschminkt eingestehen, dass wir den Lauf der umfassenden Zerstörung aller unserer kognitiven und kulturellen Lebensgrundlagen nicht werden aufhalten können. Die Gründe dafür sind im Einzelnen zwar vielschichtig, lassen sich aber dennoch pauschalierend in drei besonders stark hervortretenden Destruktionstendenzen zusammenfassen.

(1) Erstens fehlt uns/ Europa ein wirklich mächtiges, zur grundständigen Opposition fähiges politisch-parlamentarisches Zentrum. Alle angeblich noch konservativ-liberalen Parteien versagen hoffnungslos bei dem Problem, für eine aufgeklärte demokratische Substanz und Debattenkultur Sorge zu tragen und sich gegenüber dem grün-roten Zeitgeist wirkmächtig zu behaupten. Neben der CDU muss man inzwischen wohl auch die CSU als Ernst zunehmende Alternative abschreiben - Bosbach und Gauweiler machen halt keinen Sommer und die geistigen Duckmäuser in beiden Parteien sowie die lediglich mittelmäßige Frauenriege um Merkel haben als mentale Abrissbirnen eines soliden Konservativismus inzwischen ganze Arbeit geleistet. Die eigenen Versorgungsinteressen stehen auch hier im Vordergrund. So einfach ist das! Inzwischen ist aber genauso wenig zu übersehen, dass sich die AfD und die FDP vor dem Hintergrund ihrer mangelnden inhaltlichen Kompetenzen, kognitiven Fähigkeiten und insbesondere ihres im Schnitt doch sehr bedarften Personals zu hoffnungslos degenerierten Parteien gewandelt haben, die der Sache des klassischen bürgerlichen, auf Selbstbestimmung basierenden Gedankengutes mit jedem Tag ihrer weiteren “Verblödung” einen ernsthaften und wohl auch nicht mehr hinlänglich zu kompensierenden Schaden zufügen. Die Mitglieder der FDP halten - teilweise aus selbstkritischer Scham, teilweise als naive Irrläufer - inzwischen wenigstens vielfach ihre geistig ohnehin verödete Klappe, aber die unseriösen, lächerlch provokanten und inhaltlich peinlichen Auftritte von AfD-Mitgliedern ist nicht mehr auszuhalten. So wird eine Steilvorlage nach der anderen, die von dem Blockparteien-Regime Merkel ausgehen, verpasst. Im Profifußball wären diese “Stürmer” längst zumindest in die Landesliga strafversetzt worden bei gleichzeitiger Streichung von 80 Prozent ihres Gehalts. Und auch hier machen weder ein Lindner noch ein Meuthen eine entscheidende Differenz. Klar wird seitens der ÖRM geframet, was das Zeug hält, und das trägt auch in großen Teilen zur essentiellen Beschädigung der parlamentarischer Oppositionsarbeit bei, aber dennoch erklärt das halt nicht wirklich alles. Die desolate Erscheinungsweise beider Parteien lässt sich halt auch für uns selbst als ursprünglich Wohlgesonnene einfach nicht mehr leugnen.

Wie immer wird - vor allem gilt das für die deutsche Geschichte von 1848 bis heute - das Bürgertum zwischen der radikalen Dummheit und der von Totalitarismusphantasien durchtränkten Menschenverachtung von Links und Rechts, aber auch durch sich selbst infolge seines feigen Hangs zu jedweder Toleranz zerrieben. Zudem haben Begriffe wie Ehre, Würde, Prinzipienfestigkeit, Tapferkeit usf. vor allem bei sämtlichen männlichen Vertretern im Merkel-Regime absolut ausgedient. (Ich weiß deshalb nicht, worum frau in der Politik eine Frauenquote einführen möchte. Oder geht es doch realiter wirklich nur um das richtige Genital?) So degeneriert die einst stolze sozial-liberal konservative Mitte, die unser Land als historischen Meilenstein parlamentarischer Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, privatem Wohlstand und öffentlicher Wohlfahrt bis zum August 2015 geführt und geprägt hat, zu einem unterwürfigen Kanzlerinnen-Claqueur-Verein, den nahezu nichts mehr interessiert als die eigene Macht zu sichern, koste es Mittelstand und Mittelschicht was es wolle - bis hin zum kalkulierten Risiko, die Zerstörung des wirtschafts- und bildungspolitische Rückgrat der alten Bundesrepublik endgültig zu riskieren.

Diese Mainstream-Mentalität sendet aber nicht nur ökonomisch und sozialpolitisch ein fatales Signal aus, in erster Linie beschreibt es eine fundamentale geistige, systemische und kulturelle Schande. Zusätzlich wird über die EU der noch freie Parlamentarismus von Außen über die global vernetzten korrumpierten Medien, fremdfinanzierte NGOs, die Globalisten, infantilisierte Aktivistinnen sowie dubiose Stiftungen mit einem verquasten Sendungsbewusstsein, das häufig an die düstersten Phasen der “heiligen Inquisition” erinnert, in ihrem Erscheinungs- und in Selbstwahrnehmungsbild derart unterminiert, dass er zu einer konstruktiven Oppositionsarbeit überhaupt nicht mehr fähig ist. Dies bedeutet einen weiteren Sargnagel für das westliche Demokratieverständnis.

(2) Nicht minder enttäuschend, da alle Hoffnungen auf Anstand, Freiheit und europäische Wohlfahrt verratend, verhält es sich mit der europäischen “Jugend”. Während ihresgleichen in Hongkong westliche Freiheiten und Lebensformen mit persönlich weitreichend bittersten Konsequenzen einfordern, rührt sich von ihren westlichen Artgenossen kein einziger Handschlag. Umgekehrt werden diese ahistorisch, arrogant und inzwischen vielfach gewalttätig auftretenden Jugendlichen durch UNO, EU, am Umsturz-Narrativ interessierten Massenmendien und willfährige Politiker*Innen ständig auf widerlich-schleimige Weise hofiert, mit Vorschußlorbeeren bedacht und gegen die erdrückende Mehrheitsbevölkerung sowie ihre Lebensauffassungen und Erwerbsinteressen instrumentalistisch in Stellung gebracht. FfF, Ende Gelände, Sea-Eye, BLM, Gender-Gerechtigkeit, Grüne Jugend, Jusos und weitere Merkwürdigkeiten lassen allein schon vor dem Hintergrund durchschnittlicher “logischer” Bewertungsskalen nicht gerade auf einen soliden kognitiven, biographisch-qualifizierten oder gar fachlich-ambitionierten Hintergrund bei den Beteiligten schließen.

Nicht minder peinlich verhält es sich mit den eitlen, “coolen”, selbstverliebten und karrieregeilen JUlern oder den Julis - gibt es letztere eigentlich noch? - die im Sinne der großen globalen Player und/oder einem rückratlosen Top-Management (siehe etwa einen Diess oder einen Käser) agieren. Auch diese Gruppierungen, die in der Tat die gesellschaftspolitische Zukunft verkörpern, lassen sich im Sinne einer emanzipierten demokratischen Kultur nur noch als kognitiv ebenso wie als “politisch” flächendeckende Ausfälle verzeichnen.

(Ich würde inzwischen so weit gehen, zu behaupten, dass die o.a. Allianz aus globalem Finanzkapital, europäischem Wirtschafts-Management, NGOs, versorgungssüchtigen politischen Jugendorganisationen, korrumpierten “Qualitätsmedien” und den durch die UNO zu lenken gesuchten systemischen “Eliten” heimlich mit dem Vorgehen Chinas gegenüber echten Demokratiebewegungen wie der In Hongkong sympathisiert, zumindest es aber nicht mehr wagt, kritisch zu den Aktionen der KPC Stellung zu nehmen.)

Nehmen wir an, dass dieser Teil der “Jugend” und “jungen Erwachsenen” etwa fünf Prozent der Alterskohorten zwischen 15 und 30 Jahren abdeckt, so teilt sich die übergroße Mehrheit nach drei weiteren Charakteristika auf. Über 60 Prozent, so denke ich, also die “Normalos”, verdaddelt ihre Zukunft mit dem Smartphone, mit Netflix, mit Tic-Toc und anderer Influencerinnen-Dödelei. Diese Gruppe wird in den Schulen immer weniger mit Qualifikations-, Wissens- und Reflexionsanforderungen konfrontiert und wird gesinnungsethisch von einer grün-roten Mehrheit der Lehrer mit einem weitreichend unrealistischen und moralisch verzerrten Gesellschaftsbild “sozialisiert”. Dies macht sich im statistisch deutlich erkennbaren Rückgang der schulischen Leistungen, in der steigenden Zahl von Abbrüchen der beruflichen Ausbildung oder - ausgenommen selbstverständlich Absolventinnen von Schwurbel-Fächern wie Sozialpädagogik, Politologie und Soziologie - in einer mangelnden Studierfähigkeit ambitionierter Fächer im MINT-Bereich bemerkbar. Verbleiben also lediglich noch etwa 35 Prozent, die “leistungsorientierten Fleißigen”, die überhaupt noch in der Lage sind, den für eine globalisierte Gesellschaft wie die Bundesrepublik essentiellen Arbeitsmarkt für Facharbeiter-, Ingenieur-, Verwaltungs- und Wissenschaftsnachwuchs ohne wirkliche Anpassungsschwierigkeiten abzudecken. Wobei wir hier - siehe den Hinweis auf die “Schwurbelogie-Fächer” - zusätzlich davon auszugehen haben, dass von dieser Gruppe wiederum ein gewisser Anteil als Absolventen von “ideologisch” infizierten Studienfächern wie Politologie, Soziologie, Jura und Sozialpädagogik in Erscheinung tritt, der sich objektiv keine wirklich qualifizierten Berufschancen mehr zu erarbeiten in der Lage sind - außer, dass sie bei NGOs, in der Politik, der kommunalen und kirchlichen Sozialarbeit, in der Integrations-Industrie oder in irgendwelchen verquasten, von Sozial-und Geisteswissenschaften bestimmten, hysterischen “Kommunikationsforen” auf Bachelor-Niveau gerade noch unterzukommen in der Lage sind. Höchstens 25 bis 30 Prozent Nachwuchs für die erfolgreiche Fortführung eine globalisierte Gesellschaft in der technisch-wissenschaftlichen Zivilisation des 21. Jahrhunderts? - das ist selbstverständlich bei weitem zu wenig.

Umgekehrt baut sich dafür ein breit gefächertes Unterqualifizierungs- und entsprechend aggressiv motiviertes Bevölkerungspotential auf, das für die anstehenden sozialen Verteilungskämpfe im höchsten Grade negativ einwirken wird. Denn es winken zuhauf Jobs als Schnüffler, Aktivistinnen, Denunzianten, Blockwarte, Volkskommissare und selbsternannte “Menschenfreunde”, die dann auf den Niveaus von Kahane, CR, KGE, Annalena und Robert auch noch vermehrt “Politische Bildungsarbeit” betreiben dürfen. Mein Vorschlag: Wer es Ernst meint mit dem Systemwechsel - und das gilt ja für die Blockparteien im Merkelismus und ihr bedarftes Personal - der/die/das sollte diesen Frauschaften schon jetzt ein Ticket für Kurse in Nordkorea buchen, damit sie dann emotional wirksam gestählt von dort für die endgültigen Machtübernahme rechtzeitig zurückkehren können.

Aber das alles heisst ja vor allem eins: Die “Doofen” aus den eigenen Generationskohorten, d.h. die, die noch arbeiten und an sich an den Werten von Leistungsethik, Verantwortungsethik, Selbstorganisation - kurz: Subsidiarität - orientieren, müssen zukünftig noch mehr als heute um jeden Preis unterdrückt und ausgebeutet werden. In der EU lassen sich entsprechende Blaupausen aktuell bereits zuhauf finden.

(3) Die dritte Destruktionsschiene ist überaus bekannt, ebenso aber auch über-kommuniziert: Es ist der verhängnisvolle Einfluß der politisch korrumpierten öffentlich-rechtlichen Medien sowie großer Teile der finanziell von Außen geförderten “Qualitätsmedien” - siehe etwa den Einfluß von Gates auf den Spiegel. Dieser Ansatz zur Unterminierung einer seriösen öffentlichen Diskursstruktur versucht mit seinen Strategien des Framings in Bild, Ton und Schrift, der Unterdrückung von mißliebigen Berichterstattungen (siehe die jüngsten Ereignisse in Stuttgart oder Lyon oder den USA) und der Kommentierung von weltweiten Geschehnissen im Rahmen ideologisch aufbereiteter Halbwahrheiten in immer offenerer, ungeschminkterer Weise, tagtäglich auf das öffentliche Bewusstsein und dessen Aufmerksamkeitsökonomie einzuwirken.

Zu dieser Orwell`schen “1984er”-Methodik ist alles, aber auch alles bereits gesagt. Allerdings nur noch viel zu wenig dazu, dass wir zum einen als Bürger und zum anderen noch einmal als konservativ-sozialliberale Intellektuelle diesen ungleichen Kampf unter den gegebene Bedingungen für uns und damit für die historischen Ziele der westlichen Zivilisation nach dem Muster der europäischen Aufklärung nicht werden entscheiden können. Denn unsere Finanzmittel, unsere informationellen Ressourcen - nehmen Sie allein Giganten wie dpa, das RDN oder die Funke-Mediengruppe - und unsere kulturelle Auffassung von Demokratie und Interessenausgleich reichen einfach nicht aus, die inzwischen angehäuften strukturellen Verwerfungen von fairer und fachlich qualifizierter Öffentlichkeit auch nur annähernd aufhalten zu können. Hinzu kommt, dass unser mentales Widerstanspotential derart unterentwickelt ist, dass wir wenig Chancen haben, uns gegenüber dem aggressiven Straßen- und Protest-Mob auf Dauer behaupten und/oder rote Linien verteidigen zu können.

Im Gegenteil: Die entschieden notwendige Abgrenzung gegenüber dem Links- und Rechtsradikalismus bleibt ebenso vage wie der Aufbau tragfähiger eigener oppositioneller Strukturen oder die öffentlich wahrnehmbare Darstellung robuster intellektueller Gegen-Organisation und eigener Entschiedenheit nicht gelingt. Die unsägliche Abzockerei durch die GEZ-Gebühren müsste zum Beispiel breiten juristischen Widerstand und permanenten intellektuellen Protest auf breiter Front - notfalls auch über die Straße - auslösen. Aber wer will das - siehe oben - machen und notfalls alles, auch zum direkten Nachteil für die eigene Karriere und noch schlimmer: zulasten der eigenen Familie und deren physische und psychische Unversehrheit ( vergl. H.-G. Maaßen in der Juli-Ausgabe von TE) riskieren? Außer, daß wiederum Sie, sehr geehrter, lieber Herr Wegner, und ein paar weitere Mutige oder wir als Senioren, die i.d.S. keinerlei Repressalien und “Berufsverbote” mehr zu befürchten haben, sich dieser an sich überfälligen Protestform befleißigen. Aber ich denke, es wird überdeutlich, dass sich die strategischen Asymmetrien auch durch solche Aktionen nicht wirklich kompensieren lassen.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen: Was ich Ihnen ursprünglich in aller Kürze eigentlich “nur” sagen wollte, sehr geehrter, lieber Herr Wegner, ist: Danke! Danke für Ihre tiefgründigen Analysen, die den Zerfall des Westens als geistiger und materieller Lebensform und als Folge eines bislang unvorstellbaren Selbsthasses und einer suicidalen Mentalität in großen Teilen der heute 16- bis 50-jährigen so schattierungsreich aufdecken. Angesichts dieser pathologischen Sozialpsychologie ist mein Eindruck vom Ausgang der o.g. verhängnisvollen wirtschafts- und sozialpolitischen Entwicklungen für die nächsten Jahre nahezu exakt der gleiche wie der Ihre. Wir werden materiell und vor allem auch geistig relativ betrachtet immer weiter verarmen. Schließlich droht uns die endgültige Kolonialisierung durch die Brüsseler Bürokratie und die UNO. D.h. wir werden im Bereich von Freiheit, Sicherheit, Lebensform, Lebensunterhalt immer weiter nach unten gezogen. Denkbar ist auch, dass wir faktisch ohne große zeitliche Verzögerung zu einer unmittelbar China unterstellten Kolonie mutieren, die formal selbstverständlich als scheinbar souveränes politisches Gebilde fortbesteht. Angesichts solcher Aussichten vermag es mich nicht zu trösten, dass dann viele der heutigen Aktivistinnen, der kleinen bedarften Schreiberlinge (m/w/d) bei den “Qualitätsmedien” sowie große Teile der “hippen” Prenzlauer und bedarften evangelikalen Fundamentalisten a la Bedford-Mainstrohmer noch aus allen Wolken fallen werden. Denn wir selbst werden dann ganz am Boden liegen…

Was die öffentliche Wirkung Ihrer treffenden Analysen anbelangt, so glaube ich, dass zu deren Rezeption der Zeitgeist, geprägt durch einen tiefgreifenden “Bildungsnotstand”, nicht in der Lage sein wird; und dass Ihre Diagnostik für uns selbst lediglich einer Art “Schmerz-Therapie” gleicht, die die Symptome zeitweise abzumildern vermag.

Und dennoch: das Lesen Ihrer Kommentare beinhaltet eine unbedingte biographische Bereicherung und eine große Freude daran, dass es in diesen geistig verwirrten Zeiten noch Stimmen gibt, die zu einer rationalen und präzisen Gedankenführung in durchweg hoch vermintem Gelände fähig sind.

Sie regen mich an, doch vielleicht wieder das Wort zu ergreifen. Vor allem aber ist es mir eine Ehre, Ihre substantielle journalistisch-philosophische Arbeit auch weiterhin zu unterstützen.

Mit herzlichem Gruß

Ihr Hans-Rolf Vetter

Zum Autor

Univ.-Prof. i.R. Dr. Hans-Rolf Vetter, Jahrgang 1943, Leonberg/BW, Forschungsschwerpunkte: Wissenschaftliche Sozialpolitik, Moderne Erwerbsbiographien, Mütter und Mediation