Sehr geehrte Damen und Herren vom Focus,

nachdem vergangene Woche erneut ein aus meiner Sicht zwar durchaus entschiedener, aber sprachlich nicht aus dem Rahmen fallender Kommentar zum geplanten Abzug der US-Army in Deutschland von einem/ einer Ihrer “Administratoren” bei FOCUS online abgelehnt worden ist, habe ich mich entschlossen, “Focus-Online” endgültig den Rücken zu kehren. Ich möchte auf Sie und Ihre offenbar infantilen Vorstellungen davon, was Kritik, Sprachauswahl und Reflexion Ihrer Leser noch “dürfen”, nämlich offenbar lediglich nur noch nichtssagende nette Netiquetten unter der Rubrik Leser-Kommentare zu äußern, auf keinen Fall noch einmal hereinfallen. Mit der Zeit wird man sich einfach zu schade für öffentliche “Kindergärten” für Erwachsene, wie Sie das mit dieser Rubrik zu betreiben suchen.

Zudem erschließt sich mir Ihre willkürliche “Auslese” von Kommentierungen Ihrer Leser einfach nicht. Mal so, mal so! Auch ich durfte zwar schon einige kritische Kommentare absetzen, andere wiederum aber wurden einfach ohne wirklich erkennbaren Grund abgelehnt. Wonach sich das jeweils entscheidet, kann ich insofern gar nicht nachvollziehen. Deshalb kann ich mich auch noch nicht einmal i.S. Ihrer Maßstäbe “läutern”. Grammatikalische und orthographische Schnitzer dagegen, die zuhauf in den Leser-Zuschriften auftauchen, sind für Sie zudem gar nicht relevant, wodurch viel Sprach- und Sinnschrott erzeugt wird. Aber Hauptsache scheint zu sein, dass die von Ihnen “erwartete”, sorgfältig vorgeframete “Leserkultur der FOCUS-Online-Gesinnungsgemeinschaft” immer wieder punktgenau abgebildet wird.

Unter Umständen irre ich mich aber auch ganz grundsätzlich und es passiert lediglich Banales: Ihre Administratoren und Administratorinnen entscheiden einfach nach persönlicher Willkür oder gefühlter eigener Tagesform. In jedem Fall: dem von Ihnen immer wieder selbstgefällig in Anspruch genommenen “Qualitätsjournalismus” entsprechen beide Vorgehen in keinster Weise. Nun ja: objektive Beurteilungskriterien von Aufgabe und Sinn des politischen Journalismus sind ja heute so was von “out”, dass Sie damit im unkritischen Mainstream des Haltungsjournalismus mitschwimmen dürfen, ohne wirkliche Sanktionen fürchten zu müssen. Und wenn immer mehr Ihrer Leser abspringen, was soll`s? Dann bleibt immer noch die staatliche Fördergießkanne oder aber das globale Finanzkapital findet an Ihnen Gefallen und finanziert Sie als eine seiner weiteren “Spielwiesen”.

Aus all diesen Gründen gehe ich davon aus, dass es ein waschechtes linkes “Administratorinnen-ZK” mittlerweile auch bei Ihnen geschafft hat, die Kontrolle über die letzten, noch abtrünnigen “freien” Köpfe in Ihrer Reaktion und in der geschätzten Leserschaft zu übernehmen. Mit Ausnahme selbstverständlich von einer journalistischen Kapazität wie Herrn Fleischhauer, an dessen ideologische Einhegnung frau sich noch nicht ganz ran traut- auch wenn das von diesem, Ihrem engen geistigen Echoraum her betrachtet eigentlich unlogisch ist. Aber das ist sicher ohnehin nur noch eine Frage der Zeit.

Sie verlangen im übrigen vollkommen zu Recht bei Leser-Kommentaren die Nennung des Klarnamens. Umgekehrt wäre es daher im Sinne des gegenseitigen demokratischen Respekts auch von Ihren Administratorinnen zu fordern, Ihren Namen unter die Ablehnung zu setzen. Aber wahrscheinlich wollen diese Damen und Herren in ihrer wahren Funktion als “Zensoren” (d,w,m) durch zugesicherte Anonymität halt geschützt bleiben. Mutiger “Qualitäts-Journalismus” ist das “natürlich” nicht, aber der Zweck heiligt halt die Mittel. Und die Motive strotzen ja nur so vor erhabener “Selbstgefälligkeit”.

Vielleicht tue ich Ihnen aber auch da schon wieder bitter Unrecht und Sie sind in der Orwell`schen Technologie als Gesamt-FOCUS schon viel weiter und lassen nur noch Bots*Innen (hoffentlich auch zusätzlich divers aufgestellt) für sich arbeiten?! Dafür würde ich Ihnen als technikbegeisterter Mensch eine gewisse Anerkennung immerhin nicht versagen wollen. Da der politische “Diskurs” ja ohnenhin nur noch über Textbausteine stattfindet - einer Methodik, in der Sie sich selbst sehr stark engagieren - bieten sich derartige sprachliche und kognitive Rationalisierungsmethoden “selbstverständlich” mehr als an.

Wie dem auch sei: Ich danke Ihnen für einige wirklich sehr gute, weiterführende und anregende Artikel wie etwa solche von Daniel Stelter, Gabor Steingart, Ulrich Reitz oder den bereits genannten Jan Fleischhauer. Die werde ich wahrlich vermissen.

Dennoch tschüss!

Hans-Rolf Vetter

Zum Autor

Univ.-Prof. i.R. Dr. Hans-Rolf Vetter, Jahrgang 1943, Leonberg/BW, Forschungsschwerpunkte: Wissenschaftliche Sozialpolitik, Moderne Erwerbsbiographien, Mütter und Mediation